Aufrechte Zeitzeugen: Getreidesilos in den USA

Getreidesilo USAGrain Elevators sind die höchsten Gebäude im ländlichen Amerika. Sie sind nicht nur architektonisch herausragend, sondern zugleich ein Spiegelbild verschiedener Epochen in der Geschichte amerikanischer Landwirtschaft.

Die hölzernen Getreidesilos, die man in fast jeder Kleinstadt sieht, entstammen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Sie stehen fast immer in zentraler Lage direkt neben den Eisenbahngleisen. Alle sechs bis zehn Meilen konnte man ursprünglich im Meer der Getreidefelder eine Stadt mit Eisenbahnanschluss und Grain Elevator finden. Das war genau jene Entfernung, die die Farmer mit ihren Pferdegespannen schaffen konnten und die zugleich versicherte, dass sich kein konkurrierendes Eisenbahnunternehmen einfand. Eisenbahnbau, Stadtgründung und Erichtung eines Grain Elevators gingen oft Hand in Hand.

Die Silos dienten zum Wiegen und Aufkauf, zur Lagerung und Verladung des Getreides. Ein Fahrstuhlmechanismus im Inneren transportierte das Getreide in Lagerkammern, daher der Begriff Grain Elevator ("Grain"="Getreide", "Elevator"="Fahrstuhl"). Angetrieben wurde der Mechanismus erst durch Pferde, dann durch Dampfmaschinen, Verbrennungsmotoren und schließlich durch Elektromotoren.

Heutzutage sind viele dieser hölzernen Getreidesilos verlassen und verfallen, ganz so wie viele Farmen. Die amerikanische Landwirtschaft ist unverändert leistungsfähig, die Methoden und Strukturen haben sich allerdings wesentlich geändert. Mit der Mechanisierung im letzten Jahrhundert wurde die Landwirtschaft in zunehmender Weise industrialisiert. Dieser Trend zur Automatisierung setzt sich auch heute fort. Die noch existierenden Familienbetriebe bewirtschaften immer größer werdende Flächen. Aufgrund der geringen Gewinnspannen kämpfen sie trotzdem nicht selten ums Überleben. Missernten und Verschuldung treiben viele Betriebe in den Ruin. Die Zahl der Farmen in Familienbesitz verringert sich so jedes Jahr. Die verfallenen Grain Elevators sind daher zugleich Sinnbild des goldenen Zeitalters der Familienfarm als auch ihres Niedergangs.

Im 20. Jahrhundert ersetzte Beton den Baustoff Holz. Als Lastkraftwagen die Pferdegespanne ablösten, wurden auch die Abstände zwischen den Getreidesilos größer. Nicht nur viele der alten Silos verfielen, oft verschwanden die kleinen Städte mit ihnen. Wenn man heute durch Staaten wie South Dakota fährt, kommt man hin und wieder in Siedlungen mit zwanzig oder weniger Einwohnern. Vor hundert Jahren waren diese kleinen Städte gutbevölkerte ländliche Zentren mit Banken, Hotels, Geschäften und, als Mittelpunkte des Wirtschaftslebens, Grain Elevators.

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